3ter Putsch 2000

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Der zivile Putsch vom 19. Mai 2000

aus meinem Tagebuch, aber nachträglich etwas editiert

Um sechs stehe ich auf, ziehe meine übliche Morgentoilette ab. Nach einem kleinen Frühstück bringe ich Robert in seine Schule, die Deenbandhoo Memorial School. Diese ist nur etwa 300 Meter von unserem Mister-Bean-Häuschen an der Bakshi Street gelegen.

Nehme heute den Bus in die Bude. Dave, mein Kollege und Vorgesetzter (wenn man das wörtlich nehmen will), kommt etwas später mit seinem Radio. Denn die Nationalists/Tako Lavo/Taukei Movement Leute haben ja heute einen Marsch in Suva, sie starten vom Busbahnhof. Etwa 2000 Leute sind angesagt, wobei ich nicht mehr weiss, ob das gestern in der Zeitung gestanden hat oder ob es als 'news' über das Radio verbreitet wird. Der "Umzug" wird aber sehr schnell bösartig und später sogar gewalttätig. Der erste Shop, welcher ausgeraubt wird, ist Tappoos. Als der Tag vorrüber ist, sind 165 Shops ausgeraubt worden. Etwa 15 werden angezündet, geschätzter Schaden 20 Millionen Dollar. Und die Polizei kann nichts machen, seien 1:60 in der Minderheit.

Um zwölf hole ich Robert von der Schule ab. Denn im Radio sagen sie, man solle nicht mehr auf die Strasse gehen und die Kinder heimholen.

So sitzen Dave und ich, zusammen mit Robert, draussen vor der Bude. Ueberall in Suva brennt es. Wir haben zwar keine direkte Sicht auf die Feuer. Aber wir können die verschiedenen Rauchwolken sehr schön aus dem Fenster vom Trainingsraum sehen.

Es ist so gegen zwei, als die ersten 'looters' (Diebe, welche die Shops ausräumen) vor unserer Strasse, der Amy Street, erscheinen.

Die meisten haben Einkaufswagen gestohlen, in welchen sie das Diebesgut wegkarren.

Wir sitzen brav auf unserem Mäuerchen und schauen den Typen zu. Es ist eigentlich lachhaft, denn viele haben - wenigstens für mich - nutzloses Zeugs gestohlen.

Um etwa 13.00 kommt ein Fidschianer vorbei. In seinem Einkaufswagen hat er einen ganzen Karton voll mit Radios. Vilisi, meine Assistentin, fragt ihn auf fidschianisch, ob sie ein Radio erhalten könne. Und sie bekommt es dann auch. Komisch aber wahr: nach einer Woche wird es kaputt sein. Ein anderer Fidschianer kommt mit einem Einkaufswagen voller Bongos, ein Snack von Néstle. Auch dieser Typ gibt uns ein paar Säcklein dieser Salzigkeiten.

Dave und ich rätseln, was wir als nächstes tun sollen. Am besten sei es, die ganze Crew heimzuschicken. Das Ganze könnte ja (noch) gefährlicher ausfallen.

Alle Mitarbeiter werden also heimgeschickt.

Um 13.30 halten also nur noch Dave und ich die "Stellung" in der Bude - und Robert, damals sieben Jahre alt.

Es ist etwa 14.30 und Dave und ich sitzen immer noch auf dem Mäuerchen. Plötzlich stoppt ein Taxi. Ken Williams vom 'Coconut Inn' ist drin. Ob ich sein "Hotel" in zwei Wochen managen würde.

Seine Freundin, Lafi, hätte ihn verlassen. Die beiden Kinder seien bei der Grossmutter in Neuseeland.

Komplett überfallen, sage ich zu, morgens um neun zu ihm zu kommen, um das Ganze zu besprechen.

Dave und ich gehen immer wieder rein ins Büro, um die Neuigkeiten aus dem Radio zu hören. Oder einfach nur, um die Rauchwolken über Suva zu bestaunen.

Es ist etwa zwei Uhr, als wir hören, dass ein Typ namens George Speight mit etwa 8 maskierten und bewaffneten Männern sämtliche Parlamentarier als Geiseln genommen hat. Der Doofmann habe einen zivilen Putsch ausgerufen,

Alle gehen nachher nach Hause, ausser mir und Dave und Robert. Wir stehen draussen blöd rum.

Irgendwann beschliessen Dave und ich, ein paar Biere zu kaufen.

Ich laufe also die Strasse hinab, vorbei an zurückkehrenden Dieben. An der Ecke von Amy Street und Suva Street ist der Shop von Sunia Cama, dem früher berühmten Boxer. Seit ich Fidschi kenne, ist sein Laden 24 Stunden offen, und das 365 Tage. Wie er das macht, dass ihn die Polizei nicht beheligt, weiss ich auch nicht.

Auf den Balkonen oberhalb seines Schuppens schauen Fidschianer nach Suva hinab. Sie johlen und kreischen. Auf der Strasse kommen die Warenhausdiebe hinauf mit ihren Wägelchen. Und die Bande gröhlt.

Für überteuerte F$3 pro Flasche kaufe ich vier Biere. Kaum draussen, hält ein Taxi vor dem Laden. Sehe noch, wie mehrere Kisten Gin bei Sunia Cama ausgeladen werden. Er ist also auch in diesem Geschäft - gestohlene Ware gegen geringes Entgelt entgegenzunehmen.

Nachdem die heisse Ware ausgeladen wird, besteige ich den Taxi. Denn mit den vielen Dieben auf der Strasse wird es mir doch ein wenig unheimlich.

Die Taxifahrt von nur 100 Metern kostet zwar F$2, aber ich bin froh, wieder in unserem Bürohaus zu sein.

Dave und ich stehen draussen vor der Mauer und sehen den Dieben zu. Manchmal taucht ein Polizeibus auf, dann lassen die Leute ihr Diebesgut liegen und zischen schnell ab. Die Polizei sammelt dann das Zeugs ein. Ich bin sicher, dass es nie auf Listen von gefundenen Sachen auftauchen wird.

Wir haben die Gläser in der Hand, als plötzlich ein Fidschianer kommt. Ob wir ihm etwas Bier geben könnten. Wir sagen, okay, Mann, hier hast du ein Glas. Dave überreicht es ihm, geht dann aber schnell ins Haus. Ich folge ihm. Er geht in die Küche und holt ein riesiges Messer heraus.

Legt es neben die Tür auf die Bank. Wir gehen beide wieder nach draussen. Der Fidschianer ist immer noch dort. Er möchte jetzt noch mehr Bier, am besten alle unseren Flaschen.

Dave sagt, sorry, das gehe leider nicht. Wir hätten es gekauft und das Bier gehöre uns.

Da nimmt doch der Typ tatsächlich seien Regenschirm und bedroht uns damit. Dave ist halbwegs unter der Türe, hält das Messer bereit.

Ich Angsthase und Schleimer hingegen strecke ihm eine Flasche Bier entgegen. Die nimmt er mir aus den Händen,  bedankt sich und geht in Richtung Colonial War Memorial Spital.

Dave bringt das Radio nach draussen. So hören wir die Neuigkeiten, welche aus dem gekidnappten Parlament durchsickern.

Etwas später stehen wir beide mit dem Rücken zur Strasse und schauen den Rauchwolken zu, welche von den angezündeten Geschäften aufsteigen.

Plötzlich fühle ich, wie jemand mir in die hintere Hosentasche langt. Meine Reaktionsfähigkeit ist etwas behindert, so gelingt es ihm, sämtlich Papiere rauszufischen.

Der Typ rennt weg, oben wartet ein Taxi mit laufendem Motor. Er macht die Türe auf. Keine 10 Sekunden später wirft er alle Papiere, welche er aus meiner Hosentasche geklaut hat, weg. Geld findet er nicht, denn ich habe alle Noten in meine Socken gesteckt.

Auf der Baustelle gegenüber, wo das neue Suva Private Hospital entstehen soll, sehen wir etliche Gruppen von Fidschianern, welche sich ins Gras gesetzt haben und an gestohlenem Alkohol gütlich tun. Eine Entäusschung für mich ist es, in einer der Gruppen William auszumachen, der etwa 18-jährige Sohn von Vani, einer Verwandten von Sitila.

Wir sehen, wie Taxis voll mit Leuten aus der Agglomeration nach Suva kommen, um noch weiter die Geschäfte auszurauben.

Nach diesen ungemütlichen Vorfällen beschliessen wir, die Bude dicht zu machen. Dave fährt Robert und mich heim, eine kurze 5-minütige Fahrt. Dort wartet bereits Sitila, welche ihr Ohr nahe am Radio hat.

Von George Speight haben wir beide noch nicht gehört. Er soll ein gescheiterter Geschäftsmann sein. Habe eine Glatze, sei 'half-caste' und sehe eigentlich ziemlich gut aus (ein paar Jahre später werden wir sogar die Eltern seiner damaligen Freundin kennenlernen). Speight ist auch im Aufsichtsrat von etlichen Firmen, welche mit Holzverwertung ihr Geschäft machen. So zum Beispiel die Fiji Hardwood Corporation - deren Büroräumlichkeiten werden ein paar Tage später von seinen Unterstützern abgebrannt.

Die Regierung (welche eigentlich, wissen wir nicht, denn das Parlament bzw. die Minister sind ja -Geiseln) hat eine Ausgangssperre von 20.00 bis 5.00 verhängt.

So essen wir einen feinen Znacht, bringen Robert ins Bett. Und haben sehr schönen Sex. Mag mich noch erinnern, dass ich dabei George Speight spiele, so auf die Art einer strengen Domina. Es kann aber auch ganz anders gewesen sein.

Am nächsten Tag, einem Samstag, gehen wir alle drei zu Fuss in die Stadt. Die Busse fahren eh nicht. Gottlob wohnen wir nur 30 Gehminuten von der City entfernt. Ueberall Chaos. Ausgebrannte Geschäfte, ein paar waren noch behelfsmässig verbarrikadiert worden.

Ein Einkauf in Geschäften wie dem Morris Hedstrom gegenüber dem Markt ist nicht möglich. Hingegen ist letzterer offen. Wir kaufen bei unserem üblichen Chinesen Gemüse, Reis und Kartoffeln ein. Einen Taxi finden wir nicht, also wieder zu Fuss nach Hause.

Um etwa zwei Uhr fahren wir mit einem Bus zu Sitila's Mutter, welche in Davuilevu wohnt, etwa 9 Meilen von Suva entfernt. Nur wenig mehr und man würde in Nausori landen.

Josephine hat den Fernseher eingeschaltet. Wir schauen wie der Präsident von Fidschi, Ratu Sir Kamisese Mara, ein Ansprache hält. Er sei in voller Regierungsgewalt, der Putsch sei verfassungswidrig. Und andere Beschwichtigungen.

Josephine mag Mara nicht. Er sei ein 'croock', meint sie. Wir können ihr nicht wiedersprechen, sie ist emotionell eher aufgewühlt.

Nach einer Ladung 'grog' (kava) verziehen wir uns wieder Richtung Suva. Ueberall sehen wir Leute, welche ganz plötzlich neue Kleider und Schuhe haben.

Zuhause kochen wir ein feines Nachtessen. Später holen wir noch den PC aus der Firma, weil wir befürchten, dass die Bude angezündet wird.

Nochmals haben wir feinen Sex und spielen nochmals das 'George-Speight-I-am-the-greatest' Spiel.

Es ist ewa 0.30, als ich halb eins Geräusche an der Hintertür höre.

Stehe auf, kann aber niemanden sehen. Nach einer kurzen "Hausdurchsuchung" finde ich aber heraus, dass ein Typ eingebrochen sein muss. Denn Robert's Farfisa-Piano ist weg, aber auch die Lesebrille von Sitila sowie meine Zigaretten. Auf der Hintertreppe finde ich noch eine volle Milchpackung. Der Dieb muss sie in der Eile fallengelassen haben.

Mich nervt eigentlich nur der Verlust meiner Benson & Hedges. Sitila und ich fluchen noch eine kurze Zeit über den Einbrecher, vor allem aber über George Speight, welchen wir für das Ganze verantwortlich machen.

 


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Artikel NZZ, 5.1.06