SCHWEISSTROPFEN UND FREUDENTRÄNEN IN DER KÜCHE
Wollt
Ihr mit diesen Rezepten Meisterköchen nacheifern? Wollt Ihr
durch meine Lektionen zu kreativen Künstlern werden? Vergesst
es!
Wollt Ihr Freude und Lust am Kochen, Ideen und
Inspirationen? Dann seid Ihr mit dem Kochclub auf dem
richtigen Weg, vorausgesetzt Ihr nehmt Euch genügend Zeit
dazu. Fünf bis zehn Jahre, wöchentlich eine Kochübung für
Frau, Familie oder für Bekannte, zehn Kochclub-Lektionen pro
Jahr und mindestens vier verschiedene Lehrer.
Doch ich muss Euch warnen! Auch mir brennt der Reis noch
an, ich schmeiss ihn weg und fange neu an. Auch ich bin noch
am üben...
Als Kind wollte ich eigentlich Pilot werden, um die Welt
kennenzulernen, doch waren meine Zeugnisse dafür nicht gut
genug. Vor der Berufswahl erzählte mir ein Bekannter von
seiner Weltreise in einer Schiffsküche, da waren die Würfel
für mich gefallen.
Ausser kochen und reisen habe ich in den letzten 25 Jahren
nichts anderes gemacht und noch heute versuche ich, mit meinem
Kochtopf die persönlichen und geografischen Grenzen zu
sprengen.
Eine grosse Küche gibt's für mich nicht. "Du kannst
keinen Hummer kochen solange du keinen guten Kartoffelsalat
zubereiten kannst", hat Walter Hug, mein Lehrmeister vom
"Atlantis-Sheraton", gesagt.
Meine Küche ist eine Werkstatt und keine Bühne. Eine
masochistische Schwitzhütte und kein Operationssaal. Ich muss
mir die Finger verbrennen, ich kann nicht mit dem Löffel
probieren, ich brauche den natürlichen, körperlichen Bezug
zu meinen Gerichten. Kein Essen ohne Finger; schaut doch den
Tamilen oder Indern beim Essen zu.
Zange, Backsteine und Haarföhn gehören zu meinen
Werkzeugen in der Küche. Kochmützen und mit Namen
eingravierte Jacken tragen nur Publikumsköche, die besser
Prediger oder Politiker geworden wären, welche auch nie
schmutzige Schürzen haben.
Nach dem Service bin ich verschwitzt und mein Rücken
schmerzt. Ich muss zuerst unter die Dusche bevor ich zu den
Gästen gehe. Zu Hause mache ich nach dem "Mise en
place" eine Pause. Ich möchte meine Gäste nicht
erschöpft begrüssen. Nach dem Apéro gehe ich dann
entspannter ans "Finish".
Es gibt im Leben viele Jobs, aber ich frage mich, wie viele
Menschen eine Chance haben, sich selbst ausdrücken zu können
so wie ich. Ich koche was ich mag und bekomme dafür von
meinen Gästen Komplimente. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass ein Schalterbeamter für seine Arbeit von den Kunden
Komplimente bekommt.
Ein Astrologe bezeichnete mich einmal als einen erotischen
Menschen. Vielleicht kommt daher meine Lust am Kochen.
Tatsache ist, dass für mich Sex ein Genuss ist und Essen und
Trinken wie Sex ist. Zusammen ist es die grosse Liebe die
durch alle Sinne in Magen und Geist fliesst. Mein japanischer
Lehrmeister Hajime Immamura hatte einmal beim gemeinsamen
Mittagessen bei Max Kehl, nach einem Teller Meeresfrüchte auf
Ratatouille geweint. Die millimeterfeine Gemüsebrunoise hat
ihn an seine ersten Schweisstropfen der Lehrzeit in Japan
erinnert.
Da frage ich Euch: "Kann Genuss noch sinnlicher werden?"
Doch zum Schluss soll es doch bloss gut schmecken, oder?
Nichts weiter...
Andi Zender

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